Eigentlich bin ich ja nicht so der Typ, der viel und lange zurück blickt, sondern eher nach vorne schaut. Einen Jahresrückblick zu verfassen liegt mir daher irgendwie nicht so. Beim letzten Jahreswechsel hatte ich noch darauf verzichtet, und lieber meine langfristigen Pläne skizziert.
Seit einer ganzen Weile juckt es mir aber doch in den Fingern. Nicht zwangsläufig, um das bereits abgeschlossene Jahr 2017 noch einmal Revue passieren zu lassen, sondern auch, um das Bloggen wieder ein wenig auf zu nehmen. Denn seit dem Münster Marathon – ach was sage ich, überhaupt in diesem Jahr – war mein Mitteilungsbedürfnis eher spärlich ausgeprägt. Aber so ist das eben manchmal: Prioritäten verändern sich und es werden Dinge wichtiger, die vorher gar nicht so wichtig waren. Andererseits verlieren vermeintlich relevante Aufgaben an Bedeutung und bekommen eben ein geringeres Zeitkontingent zugesprochen.
Life is what happens to you while you are busy making other plans.—John Lennon
Um den Ausblick auf das neue Jahr 2018 ein wenig nachvollziehbarer zu machen, finde ich es aber wichtig, das letzte Jahr noch einmal in der Vogelperspektive zu betrachten.
Die Sache mit der Boston-Qualifikation
Nachdem mir die Idee wuchs, in 2019 meinen ersten 100-Meiler zu laufen, hatte ich mich kurz darauf wieder anders entschieden. Nun ja, das ist so auch nicht ganz richtig. Ich schob ein neues Zwischenziel dazwischen: Ich wollte mich für den Boston Marathon 2018 qualifizieren. Dazu müsste ich einen Marathon in weniger als 3:10 Stunden laufen. Da ich diese Entscheidung bereits Ende Januar traf und direkt den letzt möglichen Qualifikationslauf dafür ausgesucht hatte, hatte ich achteinhalb Monate Zeit für die Vorbereitung.
Das waren 32 sehr durchwachsene Wochen. Sowohl körperlich als auch geistig erreichte ich das ein oder andere Mal meine Grenzen. Der Marathon im Knast hat mich ziemlich hart auf den Boden der Tatsachen geholt, nachdem ich im letzten Drittel mit hartnäckigen Wadenkrämpfen zu kämpfen hatte.
Zudem hatte ich ständig das Gefühl, viel zu wenig Tempoausdauer zu trainieren. Ich hatte die Befürchtung, ziemlich schnell nach der Hälfte einzubrechen und am Ende … schlicht und einfach zu versagen. Aber jedes Mal wenn ich daran stieß, hatte ich das Gefühl gestärkt daraus hervor zu gehen und beim nächsten Mal vielleicht noch ein wenig weiter gehen zu können. Und am Ende hat das ganze Training ja doch irgendwie angeschlagen und mehr oder weniger funktioniert.
Und doch kam alles irgendwie anders. Im Frühjahr lernte ich meine neue Liebe kennen. Sie will auch unbedingt den prestigeträchtigen Boston Marathon laufen und ziemlich schnell war klar, dass wir uns beide qualifizieren möchten, statt den einfachen Weg über ein Reisebüro zu wählen. Die Qualifikation über die Marathon-Zeit war also unsere Challenge für 2017. Kerstin hatte jedoch in Münster einen ziemlich rabenschwarzen Tag erwischt. Solche Läufe gibt es eben auch: An denen so gar nichts passt und es von vorne bis hinten schief geht. Sie hat trotzdem das Beste daraus gemacht und sich nicht hängen und schon gar nicht den Spaß am Laufen nehmen lassen. Darauf bin ich sehr stolz.
Nach dem Lauf in Münster war aber auch klar, dass es irgendwie cooler ist, wenn wir uns beide qualifizieren. Also wird es einen neuen Versuch in diesem Jahr geben. Dazu erzähle ich demnächst in meiner Jahresvorschau etwas mehr.
Kurz zusammengefasst: Ich habe die Zeit für die Boston Qualifikation geschafft. Da steckte viel, viel Arbeit, Planung, eimerweise Schweiß und vielleicht auch der ein oder andere Tropfen Blut drin. Dennoch habe ich mich nicht angemeldet. Denn den Boston Marathon möchte ich mit Kerstin Hand in Hand laufen – oder eben gar nicht.
2017 war ein Seuchenjahr
In Sachen Training lief das vergangene äußerst bescheiden. Und das hatte vor allen Dingen einen Grund: Noch nie war ich so oft so verhältnismäßig lang krank bzw. außer Gefecht und konnte nicht trainieren. Immer wieder musste ich die längeren Ausfallzeiten kompensieren und fing gefühlt wieder von vorne an. Das Gefühl täuschte zwar, für mich war es dennoch jedes mal sehr bitter, auf einem deutlich niedrigerem Niveau zu starten, als ich mich vor dem Ausfall befand. Davon, dass die meisten Trainingsläufe nur wenig Spaß machen, will ich gar nicht erst anfangen. Beim Training für seinen ersten Drei-Stunden-Marathon läuft man die meiste Zeit nicht im Wohlfühlbereich – also ich zumindest.
Alles begann im Februar im Anschluss an die ISPO in München. Ein Infekt legte mich eine Woche lang im wahrsten Wortsinn flach, danach verordnete ich mich eine weitere Woche Quarantäne. Erst im März fing ich wieder einigermaßen regelmäßig an zu laufen. Den Frankfurter Halbmarathon, den ich als ersten Trainingserfolgstest im Frühjahr regelmäßig nutze, lief ich nahezu ohne Vorbereitung. Denn Anfang Februar hieß es zunächst, vom 50-Kilometer-Ultra in Rodgau zu regenerieren. Damit war die Grundlagenausdauer das erste Mal in diesem Jahr wieder ein Stückchen abgebaut und Tempotraining fehlte bis dahin völlig. Aber bis zum Münster Marathon war ja noch ein halbes Jahr Zeit.
Im Sommer war ich zwei Wochen im Urlaub. In der Woche, bevor es auf den Road Trip gehen sollte, hatte sich erneut mein Mittelohr entzündet – das erste Mal war während / durch den Infekt im Februar. Während des Trips etwas weniger zu laufen hatte ich zwar eingeplant, das fiel jedoch wegen der Behandlung mit Antibiotikum weitestgehend aus. Zu allem Überfluss fing ich mir in den letzten Tagen der Reise noch etwas anderes ein und fiel so insgesamt vier Wochen lang aus. Und das in einer Phase, wo das Training schon deutlich entscheidender für den Boston Marathon Qualifikationslauf gewesen wäre.
Darüber hinaus entschied sich durch die erneute Mittelohrentzündung, dass ich um einen operativen Eingriff nicht herum käme. Ich konnte die Ärzte überzeugen, damit wenigstens bis nach dem Qualifikationslauf zu warten. Musste aber zusagen, dass bei einer weiteren Entzündung bis dahin der Eingriff nicht weiter aufgeschoben werden konnte. Ich hatte Glück, es kam nicht dazu und ich konnte in Münster an den Start gehen. Nur wenige Tage nach dem Zieleinlauf auf dem Prinzipalmarkt lag ich unter dem Messer, in denen ich es mir sparte zu laufen. Zur Rekonvaleszenz ließ ich mir drei Wochen Zeit – ganz ohne Lauferei. Es tat mir irgendwie ganz gut, den ganzen Trainingsstress von mir abfallen zu lassen. Nach dem Münster Marathon war ich echt froh, nichts mehr im Plan stehen zu haben.
So fiel ich im vergangenen Jahr also zehn endlos lange Wochen komplett aus – das sind fast drei Monate! Hinzu kommen dann noch jeweils zwei, drei oder vier Wochen Regeneration und Aufbau, um an die Form vor dem Ausfall zu kommen. Auf dem Papier war das Trainingsjahr 2017 also locker zur Hälfte von Krankheiten bestimmt, die so gar nichts mit dem Laufen zu tun haben.
2017 war ein erfolgreiches Jahr
Trotz der Rückschläge durch die Ausfälle war 2017 mein bestes Laufjahr bisher. Meine Bestzeiten im Halbmarathon, Marathon und auf den 50 Kilometern habe ich deutlich nach unten korrigiert. Besonders stolz bin ich auf das Ergebnis in Münster. Denn lange Zeit war ich überzeugt davon, dass ich es nicht schaffen würde. Die fünf Minuten, die ich an den drei Stunden vorbei schrammte ärgern mich immer noch ein wenig. Aber wenn ich daran denke, dass ich effektiv nur acht oder zehn Wochen spezifisch für diesen Lauf trainieren konnte, ist es nur noch halb so schmerzlich.
Letztes Jahr bin ich so viel gelaufen, wie noch nie zuvor. Fast 2.625 Kilometer legte ich 2017 zurück und war dafür 10 Tagen und 5 Stunden unterwegs. Das sind knapp 600 Kilometer und 39 Stunden mehr, als noch im Vorjahr. Im Schnitt waren es rund 50 Kilometer pro Woche und etwa 220 Kilometer im Monat. Wenn ich die drei Monate Krankheitspausen raus rechne, komme ich sogar auf 290 Kilometer pro Monat und 65 Kilometer pro Woche im Durchschnitt.
Dreizehn Wettkämpfe bestritt ich im abgelaufenen Jahr. Das sind ebenfalls so viel, wie noch nie zuvor. Natürlich bin ich davon die wenigsten unter Vollgas und mit der Absicht, eine neue Bestzeit zu laufen angegangen. Dennoch ist mein Urkunden-Ordner und mein Medaillen-Sammelsurium ordentlich gewachsen. In Wettkämpfen kamen knapp 480 Kilometer in 42,7 Stunden zusammen, Und als Fun Fact: 2017 begann mit einem Ultra und endete mit einem Ultra.
Durch das Training habe ich mich läuferisch auch ordentlich weiter entwickelt. Mein Durchschnittstempo ist zwar nur ganz leicht gestiegen, das liegt aber an den vielen sehr langen Läufen, die ich zum Wiedereinstieg nach den Ausfällen benötigte. In gutem Trainingszustand liegt mein Grundlagentempo bei um die 5:10 min/km und war zeitweilig sogar knapp unter 5 Minuten pro Kilometer. Mein laufreichster Monat war der August mit 365 Kilometern in 30 Stunden. Noch vor zwei Jahren hätte ich nie geglaubt, dass es soweit kommen würde: 200 Laufkilometer im Monat sind für mich mittlerweile normal.
2017 war ein schönes Jahr
Im vergangenen Jahr habe ich viele neue Läufe kennen gelernt. Die absoluten Highlights waren für mich der Brüder-Grimm-Lauf und der Münster-Marathon. Neben diesen beiden waren noch einige tolle Läufe mehr dabei und viele andere, die ich mir auf meine Bucket-Liste für dann, irgendwann mal, wenn die Zeit reif ist geschrieben habe.
Zudem bin ich auf vielen Strecken im Training unterwegs gewesen, die ich vorher noch nicht kannte. Die meisten davon hatten ihre eigene kleine Besonderheit, die mir den Wunsch weckt, sie erneut zu laufen. Nicht zuletzt, weil ich im letzten Jahr auch gelernt habe, Läufe anders zu genießen. Auch langsame, entspannte Läufe können großartig sein. Am Ende kommt es nämlich darauf an, was man daraus macht und wie und mit wem man seine Zeit verbringt.
Es sind aber nicht allein die Laufstrecken, die Trainingsläufe und Laufveranstaltungen besonders machen. Sondern es sind die Menschen. Die Menschen, welche die Veranstaltung organisieren und diejenigen, die daran teilnehmen. Im letzten Jahr habe ich viele liebe Menschen unterwegs kennengelernt, neue Freundschaften und gute Bekanntschaften geschlossen. Uns alle eint, dass wir alle von gleichen Art Beklopptheit geprägt sind – jeder in seiner eigenen unterschiedlich starken Ausprägung. Uns eint, dass wir alle die gleichen Höhen und Tiefen im Laufe eines Laufjahres durch machen, mit den gleichen Weh-Wehchen und Schmerzen kämpfen müssen und dass jeder von uns physisch und mental immer wieder an seine Grenzen geht.
Nicht zuletzt trägt gerade an diesen Erfahrungen meine Liebe einen großen, wenn nicht den größten Anteil daran. Sie habe ich – wie sollte es auch anders sein – im Zusammenhang mit der Lauferei kennen, schätzen und lieben gelernt. Ich danke ihr für all die vielen, wunderschönen Erfahrungen, die wir zusammen hatten und freue mich auf unzählige, die in Zukunft noch auf uns warten! Ein paar davon werde ich in Kürze offenbaren ;-)