Bis kurz vor dem Start war ich mir nicht sicher, ob ich am Frankfurter Halbmarathon 2017 überhaupt teilnehmen würde. Zwar war ich schon lange angemeldet. Jedoch zeigte der Infekt, der mich Anfang Februar zwei Wochen lang nieder streckte, immer noch seine Nachwehen. Ich brauche sicher nicht sonderlich erwähnen, dass ich fast vier Wochen lang kein richtiges Lauftraining absolviert habe. So stand bis zuletzt in den Sternen, ob ich auskuriert und fit genug bin, um um die goldene Ananas mitzulaufen.
Ich fühlte mich in der Woche vor dem Halbmarathon gut genug, um am Mittwoch früh noch einen kleinen Testlauf zu starten. Eigentlich wollte ich einen Tempodauerlauf im 4:30er Schnitt absolvieren. Die Idee war gut, der Geist war willig – aber das Fleisch war schwach. Aus dem Tempodauerlauf wurde ein mehr oder weniger holpriger, freier Intervalllauf – Fahrtspiel will ich es nicht nennen. Er stimmte mich einerseits zuversichtlich, dass ich gesund genug bin, um ohne Bedenken beim Halbmarathon zu starten. Der Lauf verdeutlichte mir aber auch, dass ich in vier Wochen Trainingspause ungefähr jeglichen Trainingsstand verloren hatte. Die Grundlagenausdauer war sicher noch da, aber Tempo … da kam gar nichts mehr.
Der übliche K(r)ampf gegen den inneren Schweinehund
Unter diesen Voraussetzungen fiel es mir schwer, mich zu motivieren am Sonntag früh zum Waldstadion zu fahren. Ein langer, zweistündiger Grundlagenausdauerlauf tut mir zu diesem Zeitpunkt sicher gut. Für den muss ich gar nicht unbedingt um 6:30 morgens aufstehen!,
sagte mein Schweinehund.
Aber mein Gewissen antwortete: Ich habe doch für die Teilnahme bezahlt und irgend jemand möchte bestimmt mitlaufen und kann es nicht, weil ich den Startplatz schon habe. Wäre doch unfair, wenn ich einfach nicht komme. Außerdem brauche ich ich ernst zu nehmendes Wettkampfergebnis, um irgendwie ein Gefühl dafür zu bekommen, wie ich mein Training für das kommende halbe Jahr gestalten will. Schließlich will ich mich Mitte September beim Münster-Marathon für den Boston-Marathon 2018 qualifizieren. Das wird nichts, wenn ich da vollkommen planlos ran gehe.
Nachdem ich eine halbe Stunde lang mit mir rang dachte ich mir schlussendlich: Ich bin ja jetzt sowieso schon wach! Also stehe ich auf, mache mich fertig und reise in den Frankfurter Stadtwald. Die Tasche hatte ich in weiser Voraussicht natürlich schon am Samstag gepackt ;-)
Auch nach 9 Marathons und 12 Halbmarathons bin ich vor dem Start noch aufgeregt
Am Stadion angekommen, folgte ich meiner üblichen Prozedur für diesen Lauf. Nachdem ich die Tasche in den Katakomben deponierte, meine zwei, drei Wertsachen abgab ging es in den Stadionpark zum Warmlaufen. Ein bisschen Lauf-ABC, um die Gelenke aufzuwärmen darf schon einmal sein. Vor allem dann, wenn ich gefühlt eine Ewigkeit nicht mehr gelaufen bin. Dazu kommen noch ein paar kürzere und längere Sprints, um ein wenig den Kreislauf anzukurbeln und das erste Adrenalin frei zu setzen. Zwischendrin lief ich immer zwei bis drei Minuten im geplanten Wettkampftempo, um schon im Vorfeld zu versuchen, in den richtigen Rhythmus zu kommen. Dabei traf ich auch Markus und Tinka – wobei treffen wohl über optimistisch ist. Ich habe zwar gegrüßt, aber ich bin beiden wohl noch zu unbekannt um dafür mehr als ein Handzeichen mit einem fragenden Blick zurück zu bekommen.
Das Aufwärmen dient mir neben dem Offensichtlichen vor allem für eines: Um die Nervösität und Anspannung abzubauen. Ja, auch ich bin bei meinem 30. Halbmarathon immer noch ein wenig aufgeregt. Besonders dann, wenn es mir um die Zeit geht. Auch wenn ich weiß, dass ich meine Erwartungen nicht ganz so hoch schrauben darf und eine Bestzeit oder selbst bestzeitnahe Zeit vollkommen unrealistisch ist. Ich wollte bei dem Lauf alles raus holen, was geht und machte mir so meine Gedanken. Vor allem über die Taktik. Am Ende entschied ich mich für die gleiche Taktik, die sich schon so oft bewährt hat: Einen postiven Split laufen. Also schnell anfangen, irgendwann fluchen und einsehen „heute ist nicht mein Tag“, und das Ding irgendwie zu Ende bringen.
Renn-Taktik: Schnell anfangen und dann langsamer werden
Ich stelle mich in den Startblock für eine 1:35 bis 1:45 Zielzeit. Die 1:45 sind heute für mich ambitioniert genug. Das sind zwar immer noch 20 Minuten mehr, als ich eigentlich wollte, aber schien mir zumindest halbwegs machbar. Ich wusste, dass es bei diesem Lauf in den ersten beiden Kilometer direkt nach dem Start eng werden würde. Das kam mir ganz recht, denn so kann ich mich gut mit dem Tempo zurück halten und überziehe nicht direkt auf dem ersten Stück.
Gesagt, getan: Ich lief die ersten beiden Kilometer langsamer, als ich wollte. Nicht. Ich kam gut weg, es war ausreichend Platz da, um ohne Ellenbogen in den Rippen um die engen Kurven zu kommen. Mit rund 4:30 legte ich los wie die Feuerwehr – und das fühlte sich gar nicht so schlecht an! Anfangs hatte ich den Eindruck, dieses Tempo gut durch das Rennen zu bringen.
Dann kam aber das Kilometerschild mit der 7 drauf. Die Marke liegt genau auf dem Abschnitt, wo es von der Niederräder Bürostadt auf den Mainuferweg geht. Als könnte ich die Uhr danach stellen, fangen hier die ersten Mimosen an. Ich weiß nicht, ob das irgend so eine Psycho-Macke von mir ist, denn hier habe ich regelmäßig den ersten kleinen Einbruch. Jedes mal beim Frankfurter Halbmarathon. Heute: Die Oberschenkel fingen an sauer zu werden. Ich spürte, wie sich ein leichter, ziehender Schmerz langsam bemerkbar machte und an der Oberschenkelmuskulatur ausbreitete. Das kann ja heiter werden,
dachte ich mir. Normalerweise fängt das beim Marathon erst so ab Kilometer 35 an. Jetzt hatte ich gerade einmal ein Drittel vom Halbmarathon geschafft.
Der Einbruch kam bereits nach einem Drittel
Ich drosselte mein Tempo, was mir aber mehr schlecht als recht gelang. Wenn ich einmal in einem Rhythmus bin, dann fällt es mir sehr schwer, davon wieder weg zu kommen. Mit 4:45 bis 4:50 km/min lief ich erst mal weiter, wurde aber regelmäßig wieder schneller. Meinen Schnitt versuchte ich weiter in Richtung 5:00er zu reduzieren. Mir war das aber irgendwann zu stressig, immer mit einem Auge auf die Uhr zu schielen.
Statt dessen entschied ich mich am Verpflegungspunkt bei Kilometer 10, ab jetzt jeden VP mitzunehmen. So kann ich bei günstigster Gelegenheit eine kleine Gehpause zur Erholung einlegen. Genau das machte ich, auch zwischen den VP. Ich nutzte jede Gelegenheit, um kurz ein paar Meter zu gehen: Taschentücher rauskramen und Nase schneuzen, Die GoPro für ein paar Fotos raus holen und wieder einstecken, oder einfach nur einen Schluck aus der Flasche mit dem Tailwind-Zusatz (Affiliate-Link*) zu nehmen. Ab Kilometer 13 wurden dann auch meine Oberschenkel zunehmend schwer und ich fürchtete jeden Moment, einen Krampf zu bekommen. Der bliebt aber zum Glück aus.
Neue Taktik: Stop and Go
Ja und ich bin auch ab und zu mal kurz angehalten und habe ein paar Bilder gemacht. Wenigstens etwas, das ich von diesem Halbmarathon mitnehmen konnte, wenn schon keine richtig anständige Zeit.
Zwischen den Gehpausen, die ich etwa alle zwei bis zweieinhalb Kilometer einlegte, kam ich immer wieder auf einen 4:45-4:50er Schnitt. Wie schweizer Uhrwerk ging mein Rhythmus unveränderlich, bis die Maschine heiß lief und eine kurze Abkühlung brauchte. In Summe habe ich mit den Gehpausen bestimmt die fünf Minuten verbraucht, die mir zu einer Zeit fehlten, die ich selbst für anständig gehalten hätte. So kann ich mir die 1:44, die ich bis ins Ziel brauchte, wenigstens ein bisschen schön rechnen. Nützt aber nix, denn Pausen plane ich ich für ein Rennen normalerweise nicht ein.
Nach etwa 17 Kilometern hatte ich das Gefühl, einen ausgewogenen, angenehmen Rhythmus gefunden zu haben. Die Mischung aus Schrittfrequenz, Schrittlänge und Schritthöhe fingen an zu harmonieren. Interessanterweise blieb mein Tempo dabei nahezu unverändert. Ich war vielleicht zwei oder drei Sekunden langsamer pro Kilometer. Der Zeitpunkt, ab dem es bei mir rund lief, kam aber viel zu spät! Ich war schon ausgepowert, meine Oberschenkel müde und mein Puls zeigte regelmäßig in Richtung 190. Auf der Brücke vor dem Stadion machte ich einen letzten kleinen Fotostopp. Nicht, weil ich ihn zur Erholung brauchte, sondern weil ich ihn wollte. Da gab es nämlich einen Ausblick! Leider war zu diesem Zeitpunkt das Objektiv leicht verschmiert und ich habe das auf dem kleinen Display nicht gesehen. Das Bild musst du dir trotzdem angucken.
Fazit
Ich hatte für diesen Halbmarathon nicht wirklich viel erwartet. Nach der vierwöchigen Trainingspause war mir von Anfang an klar, dass eine Bestzeit (1:35) nicht drin ist. Auch eine Zeit von sub 1:40 hätten mich ordentlich überrascht. Das Wettkampfergebnis brauchte ich aber, um meinen Trainingsplan für die Boston-Qualifikation zu justieren.
Mit der Entscheidung, voll aufs Ganze zu gehen und von Anfang an alles raus zu holen, lag ich wohl nicht so ganz falsch. Sicher hätte ich gemächlicher anfangen und ein langsameres Tempo länger – vielleicht sogar bis ins Ziel – durchhalten können. Ich wollte aber unbedingt wissen, was geht. Dass ich mich dafür quälen muss und zwischendurch einbrechen werde, war mir schon vor dem Start vollkommen glasklar. Dieses Risiko bin ich demnach wissentlich eingegangen.
Am Ende kam es genau so, wie ich erwartet und vermutet habe. Mir scheint, als könnte ich mich selbst langsam richtig gut einschätzen. Es ist nicht der langsamste Halbmarathon, den ich am Frankfurter Waldstadion ablieferte. Er passt aber auch nicht so richtig in die Entwicklung der vergangenen Jahre hinein. Deshalb müsste ich den eigentlich aus dem Vergleich raus nehmen. Meine Zielzeit von 1:44 verbuche ich mal unter ferner liefen, den besonderen Umständen geschuldet.
Zu Hause merkte ich, dass ich Muskelkater in den Oberschenkeln habe. Das hatte ich nach einem Halbmarathon schon lange nicht mehr! Ich denke, dass ich bei dem Rennen alles gegeben habe, was möglich war. Auch wenn ich es taktisch vielleicht nicht gerade klug einteilte.
Bist du auch beim Frankfurter Halbmarathon mitgelaufen? Wie lief das Rennen für dich?
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