If a marathon was easy to run, everybody would run them. stand am Kilometerschild 15 oder so. Ich weiß es nicht mehr genau. Überhaupt verschwimmen die Eindrücke des Münster Marathons 2017 langsam und weichen den bleibenden Erinnerungen. Dies ist mein Gastbeitrag dazu.

Kein Lauf hat mich mental und körperlich mehr gefordert als dieser, mein siebter Marathon. Dabei hatte ich in meiner kurzen, erst drei Jahre andauernden Laufkarriere schon einige Läufe, die mir das eine oder andere abverlangten. Jeder dieser Läufe wird mir unvergessen bleiben. New York mit seinen steilen Brücken und der unglaublichen Stimmung; Hamburg mit umherfliegenden Straßenabsperrungen; mein erster Ultra in Rodgau, mit seiner Kälte, aber unheimlich lieben Helfern; der Brüder-Grimm-Lauf mit sengender Hitze auf der fünften Etappe, die nur durch Schattenhopping und die vielen Wasserschläuche zu bewältigen waren; Läufe durch Matsch, Wind, Eis und Schnee und durch brütende Hitze … Jeder dieser Läufe war auf seine eigene Weise einzigartig und lehrreich – so auch Münster. Münster sollte mein schnellster Marathon werden, aber wurde mein langsamster. Ich fühle aber keine Enttäuschung darüber, ich bin einfach nur froh, glücklich und dankbar darüber, ihn gefinisht zu haben.

Die ersten fünf Kilometer verliefen noch voll nach Plan. Ich konnte gut an den Paceläufern für die 3:30 dranbleiben, entspannt und mit ruhiger Atmung mitlaufen und das Tempo finden. Bei idealem Wetter formte sich in meinem Kopf der Gedanke, dass ich meine Zielzeit von 3:30 schaffen kann. Wir liefen durch die Innenstadt von Münster, vorbei an jubelnden Menschen, strahlenden Kindern und dem ersten Versorgungspunkt. Es lief wirklich gut, bis ich bei Kilometer sechs schwere Beine bekam. Wirklich schwere Beine.

WarmUp am Samstag vor dem Münster-Marathon bei einer kleinen Runde um den Aasee.

Das Tempo war auf einmal viel zu schnell und an den Pacern dran zu bleiben harte Arbeit. Ich wollte zunächst wenigstens die ersten zehn Kilometer mit ihnen laufen, aber ich wurde langsamer und musste sie ziehen lassen. Ich wusste, dass auch knapp unter 3:40 noch für die Boston Quali reichen könnte – und 3:40 kann ich laufen, zumindest unter normalen Umständen. Doch dieses mal war wenig so, wie ich es bisher als erlebt hatte.

Es waren noch keine zehn Kilometer geschafft, da ging ich das erste Mal und überlegte, ob ich das Rennen nicht abbrechen sollte. Ein DNF wäre unter den Umständen nicht schlimm gewesen. Die ganze Woche hatte ich mit einer unterschwelligen Erkältung gekämpft. Am Sonntag zuvor war ich noch mit lieben Lauffreunden bei einer lokalen Veranstaltung PB auf den Halbmarathon gelaufen, habe das Wettkampftempo halten können und fühlte mich hinterher wirklich gut. Aber ab Montag war ich schlapp. War es die übliche Vor-Marathon Aufregung, das Zwicken und Zipsen, was man immer vorher hat? Nein, diesmal wohl nicht. Ich ließ die Woche über die Trainingsläufe ausfallen und versuchte am Samstag das erste Anschwitzen. Eine kleine aber feine Runde mit meinem liebsten (Lauf-) Partner Robert um den Aasee. Es war eine Wohltat für meine Seele und meine Beine! Und doch einen Tag später bei Kilometer zehn musste ich mir eingestehen, dass die Erkältung wohl tiefer in meinen Knochen steckte, als ich gedacht hatte. Also Tempo weiter raus, ab ins Wohlfühltempo von 5:20 – das würde immer noch für unter 4 Stunden reichen.

Schnell habe ich noch Robert angerufen und gesagt, dass ich die Zeilzeit nicht schaffen werde und sogar darüber nachdenke, mit dem Bus direkt wieder heim zu fahren. Er wollte auf 3 Stunden laufen und hat immer gesagt, wenn ich es nicht schaffe, ist es nicht schlimm. Er wird stolz auf mich sein und auf mich warten – so ein Schatz. Bei Kilometer elf klingelte mein Telefon und er sagte, wenn ich es bis Kilometer 14 schaffe, stünde da der Bus – was liebte ich ihn dafür! Kaum Puste bei seinem Tempo und mir noch Bescheid geben. You’re the best man.

Vor dem Start des Münster Marathons war ich noch zuversichtlich.

Also Zähne zusammenbeißen und bis Kilometer 14 weiter. Dort angekommen, war es der Besenbus, der erst hinter den letzten Läufern starten würde und dann alle einsammelt. Da konnte ich doch unmöglich jetzt schon einsteigen, als Erste! Also weiter, einen Fuß vor den anderen, schließlich müssen die Staffelläufer von ihren Wechselpunkten ja zurückgebracht werden. Vielleicht ist das ja eine Möglichkeit für mich zurück.

Immer wieder kämpfte ich mich mit kleinen, kurzen Gehpausen vorwärts. Fest entschlossen, am nächsten Wechselpunkt den Bus zu nehmen, rief ich fix meinem besten Freund an, um ihm zu sagen, dass ich abbrechen würde. Er redete mir ins Gewissen, nicht aufzugeben. Dafür hast du dich nicht durch Training gekämpft? Ja, er hatte Recht!

Ich laufe eigentlich immer lieber einfach so nach Lust und Laune, eine Strecke und Länge, die ich mir kurz vorher überlege (und dann doch manchmal spontan ändere), mit einer Pace, die gerade in meinen Beinen ist, an Tagen, wo ich Lust darauf habe. Normalerweise laufe ich nicht nach Plan und Zeit – und doch hab ich mich dieses Mal weitestgehend daran gehalten.

Der Plan war gut, er wurde immer wieder an mich angepasst. Angepasst an meine Verletzungen, meine verrückten Zwischenläufe, an mein Leben eben und der Plan hat mich perfekt auf Münster vorbereitet. Ich konnte zwar kaum einen Trainingslauf durchlaufen. Immer wieder zwangen mich Magen-Darm-Probleme zu kleinen Pausen und da war die Achillessehne, die seit dem Darmstädter Knastmarathon schwer um physiotherapeutische Aufmerksamkeit buhlte. Beides ließ so manchen Lauf unrund beginnen. Und doch: ich war startklar und all das rief ich mir kilometerweise ins Gedächtnis.

In Gedanken sagte ich Danke. Danke an alle, die mich so weit gebracht hatten: an Andreas, der mich durch die Aufnahme zu den BioRunners überhaupt zum Marathonlaufen brachte, an die Bekannten und Freunde des Frankfurter Laufshoptreffs Mikeale, Klaus, Holger, Iris und viele mehr für wundervolle Montagsläufe (fast die einzigen Trainingsläufe, die ich durchlief); an Ingo, Bruno und Vanessa für die traumhaften Läufe im Taunus; an Manuel für so viele Physioeinheiten und das Tape (ich hatte keine Fußschmerzen); an Stefan für eine Freundschaft, die es nur wegen des Laufens gibt und jetzt weit darüber hinaus geht; an Claudi für so viel Lachen und Strahlen, an meine Familie für all die Motivation und ganz besonders an Robert, der mir den Plan machte, mich begleitet und motiviert hat, mich aufgefangen und gestützt, in meine Selbstzweifeln für mich da war und mir die Schuhe ausgezogen hat, wenn ich es nicht mehr konnte, der sich über jeden Fortschritt mit mir gefreut hat, für alle die begleiteten Kilometer, laufend, radelnd oder am Handy … einfach nur danke an alle. Und dieser Gedanke trug mich bis zur Halbmarathonmarke.

Dort traf ich Jessica, eine Ultraläuferin, die mich dankenswerter Weise ansprach. Ein paar Mal waren wir schon umeinander gerannt, entweder ich gehend und sie laufend oder umgekehrt. „Wir können den Rest eigentlich zusammen gehen“ sagte sie. Sie war entschlossen zu finishen, und wenn es walkend war. So unterhielten wir uns gehend, laufend – wenn wir liefen, dann immer bei einer 5:20 Pace und dann wieder gehend. Langsam durchlaufen konnten wir beide nicht und so fanden wir unseren eigenen Rhythmus. Bis ich sie traf, fand ich mit dem Bus zurück fahren eine wirklich tolle Idee. Durch Jessica, ihre Geschichten und unsere Gespräche, dachte ich ab Kilometer 23 nicht mehr ans Aufgeben. Auch weil ein netter Mann am Straßenrand genau bei Kilometer 21,7 meinte, dass jetzt umdrehen eine saudumme Idee wäre.

Immer wieder angestachelt vom Publikum und den fleißigen Helfern, nahmen wir Kilometer für Kilometer. Nach drei Stunden und zehn Minuten rief ich Robert an, ob er es geschafft hatte – und ja, er hatte es geschafft! Wir freuten uns zu dritt, denn in unsere kleine Wandergruppe (so hatte uns eine Mitläuferin im Ziel tituliert) hatten wir Andreas aufgenommen und später kam Peter dazu.

Ich weiß nicht mehr, wie oft wir liefen – jedoch weniger als wir gingen. Wir waren eine nette Truppe, hatten tolle Gespräche und jede Menge Spaß. Eine ganz neue Erfahrung für mich. Bisher bin ich die Marathons alle durchgelaufen, allein. Keine Stopps, kein Gehen (außer in New York und kurz in Hamburg) und keine Gespräche. Diesmal war eben alles anders.

Bei Kilometer 37 sind wir noch einmal angetrabt und es lief relativ gut. Da hat mich Jessica losgeschickt. Fünf Kilometer noch bis zum Ziel, fünf Kilometer noch, bis Robert nicht mehr warten musste. Also lief ich, ging, wenn es nicht mehr lief, aber eigentlich lief ich wieder mehr als ich ging. Was für ein Segen.

Kilometer 40 – nur noch zwei! Auf meine Uhr bekam ich immer wieder Nachrichten, wie weit es noch war und das es zu schaffen sei. Es trug mich. Es trug mich, bis die Stimmung immer lauter wurde, die Zuschauer wirklich jeden Läufer laut bejubelten und ich mit den Tränen kämpfen musste.

Kilometer 42, noch zweihundert Meter, um die nächste Kurve kommt der rote Teppich und das Kopfsteinpflaster wurde etwas gedämpft – dann kam der Zielbogen in Sichtweite. Ich habe keinen Zieleinlauf mehr genossen! Der Central Park ist gigantisch, der Einlauf in die Frankfurter Festhalle eine Party, der Einlauf durch das Brandenburger Tor und auf die Siegessäule hin ein einziges Fest, aber dieser rote Teppich war nur für mich. Meine Belohnung für das härteste Rennen meiner kurzen Laufbahn. Mit einer Stunde Verspätung – aber über einer Stunde Vorsprung auf den Besenwagen – erreichte ich das Ziel. Dankbar!

Der rote Teppich in Münster beim Zieleinlauf.

Mit etwas Abstand sage ich mir, ich hätte vielleicht doch Aussteigen sollen – oder gar nicht erst antreten. Vielleicht hätte ich auf diesen Lauf verzichten sollen. Aber nein, dann hätte ich nicht die netten Menschen kennen gelernt, hätte die Erfahrung langer Gehpausen nicht gemacht, hätte so viel weniger gelernt. Nun weiß ich die Belastung und die Leistung einen Marathon zu laufen noch mehr einzuschätzen. Umso mehr Respekt habe ich vor den Läuferinnen und Läufern, die noch viel länger als ich auf der Strecke waren und bei jedem Marathon immer wieder sind. Ich bin noch dankbarer für jeden Lauf, den ich bis heute ohne Beschwerden durchgekommen bin.

Jetzt erst weiß ich wirklich, warum nicht jeder einen Marathon läuft. Meinen nächsten werde ich – so es die Gesundheit zulässt – in zwei Wochen in Berlin laufen. Allein. Nur für mich. Ohne Zeitziel, ohne Erwartungen, ohne Druck und ohne Zwang. Mit Menschen um mich herum, die alle nur eins wollen: ihre persönlichen Marathonerinnerungen schaffen.

Vielleicht gehe ich irgendwann die 3:30 noch einmal an, weil ich weiß, dass ich sie laufen kann. Aber erstmal möchte ich einfach nur laufen und freue mich auf die großen Herausforderungen im nächsten Jahr wie Rennsteig und Mauerweg und wer weiß, was es davon alles zu berichten gibt. Ich bin gespannt! Run when you can, walk if you need, crawl if you must – but never give up.

Zielverpflegung beim Münster Marathon

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