Der August hatte es in sich. Nachdem ich den Juli benötigte, um wieder an meine alte Form anzuknüpfen, hatte ich mir für den August ein recht hartes Trainingsprogramm auferlegt. Im Zentrum stand vor allen Dingen Tempohärte. Das war gar nicht so plausibel, denn die Tempoentwicklung aus dem Juli konnte ich nicht wirklich nachholen.

Kurzerhand hatte ich so ziemlich alle Dauerläufe aus dem Trainingsplan geschmissen und mit Tempoläufen ersetzt. Neun Stück waren es insgesamt. Hinzu kamen noch ein paar Intervalleinheiten und – natürlich – die langen Läufe. In den Tempoläufen versuchte ich, knapp unter Wettkampftempo (4:15 min/km) zu laufen. Ein 4:00 bis 4:10er Schnitt hatte ich dabei anvisiert und wollte das über längere Strecken – bis etwa Halbmarathon – halten. Naja, das hat meistens nur so bedingt gut geklappt. Während der Läufe nutzte ich die Brückenüberquerungen gekonnt für eine kurze Verschnaufpause. Aber ich habe auch auf flacher Strecke das ein oder andere mal das Tempo kurz deutlich gedrosselt. Es fehlte mir doch noch sehr deutlich die Tempoausdauer.

Cheating und Motivation

Da die Tempoläufe recht lang waren, war ich immer mit Trinkrucksack unterwegs. So ein kleines 600 ml-Fläschchen reicht mir dann eben doch nicht für 90 oder mehr Minuten. Ich hatte ausserdem gehört, dass die Belastung, die vom zusätzlichen Gewicht kommt, den Trainingseffekt steigern soll. Bei einem der Tempoläufe habe ich das direkt gemerkt: Meine Radbegleiterin Kerstin kam bei diesem Lauf etwas später. Sie nahm dir dann den Rucksack ab und – schwupp die wupp – war ich 10 Sekunden (!) schneller pro Kilometer, bei gefühlt gleicher Anstrengung.

Überhaupt war Kerstin viel dabei mit dem Rad, was eine unglaublich tolle Motivation ist. Besonders dann, wenn meine Stimmung auf der Kippe stand, es sich anfühlte als würde ich echt nicht mehr länger so zügig laufen können. In den Momenten, wo ich , wenn ich allein gewesen wäre, ans Aufgeben und locker aber frustriert nach Hause gelaufen wäre. Das war dann immer so Nee, das kannste jetzt nicht machen. Sie fährt jetzt schon die ganze Zeit neben her und klingelt die Fußgänger weg. Da kannst du jetzt nicht einfach aufhören und nach Hause traben. Erstaunlich, was noch alles möglich ist, wenn man glaubt, man kann nicht mehr.

Andererseits hatte ich einen Trainingslauf, den ich mehr oder weniger abgebrochen habe. Am letzten Samstag im August hatte ich mir einen Steigerungslauf (4:20 bis zu 3:50) eingeplant. Den hätte ich eigentlich am Donnerstag zuvor schon machen sollen, musste aber arbeitsbedingt ausfallen. So habe ich den Dauerlauf, der ursprünglich für Samstag geplant war, kurzerhand ersetzt.

Training ist nicht immer nur toll

Ich weiß nicht, ob mir in dieser Woche die fehlende Regenerationswoche ein wenig auf die Füße fiel. Regeneration hatte ich extra weg gelassen, weil ich mir dachte: fünf Wochen geht schon mal, dann ist ja sowieso zwei Wochen Tapering. Eine Regenerationswoche hätte meine Trainingsprogramm eben auch um eine Woche verkürzt. Jedenfalls lief ich die ersten zwei Kilometer frohen Mutes an, aber dann verlor ich irgendwie die Lust. Ohne Absicht bin ich den Lauf nüchtern, also ohne Frühstück, angegangen und hatte auch am Abend zuvor nicht sonderlich viel gegessen. Mir war klar, dass die leeren Kohlehydratspeicher jetzt meine Stimmung vermiesen, es aber ideale Wettkampf-Trainingssituation war. Denn dieser Punkt wird im Marathon irgendwann kommen!

Trotzdem hielt ich nur noch zwei weitere Kilometer durch, in denen ich mich ständig fragte: Was soll das hier? Warum mache ich das eigentlich, weshalb tue ich mir das an? Es war einfach ungemütlich anstrengend und ich hatte so totale Anti-Lust auf den Lauf, obwohl auf dem Papier alles gut aussah. 4:10er Schnitt, 176 Puls – war eigentlich in Ordnung, bzw. zu wie es sein sollte. Ich bin dann erst mal ein paar Meter gegangen und hoffte, dass ich mich wieder fangen würde.

Zwei Minuten später entschied ich mich dann aber, abzubrechen. Ich habe mir eingestanden, dass es heute keinen Wert hat. Die Lust und der Spaß blieben gänzlich fern und heute war ich nicht wirklich motiviert, mich zu quälen. Zumindest fiel mir das außerordentlich schwer. Also bin ich umgedreht, noch ein paar Minuten locker auslaufen und dann nichts wie heim. Auch solche Trainingsläufe muss es wohl geben. Zu hause habe ich mich dann kurz darüber geärgert, aber: Was soll’s? Morgen steht wieder etwas neues im Plan, ‚S Lebbe geht weida.

Lange keine sichtbaren Fortschritte

Meine Intervallläufe am Anfang des Monats, die ich bei um die 3:50 bis 4:00 lief, hatten für die Tempoläufe noch keinen so großen Effekt. Selbst das Ausdehnen der Intervalllänge von einen auf zwei und schließlich drei Kilometer … nun ja, das hat in der Kürze der Zeit noch nicht so viel Erfolg gebracht.

Lediglich in den langen, Grundlagenausdauerläufen konnte ich halbwegs vernünftig meinen selbst gestrickten Plan erfüllen. Der 5:00er Schnitt fühlte sich immer wirklich locker an. Plus: im August bin ich keinen langen Lauf auf meiner üblichen Hausstrecke gelaufen. Einen der langen Läufe habe ich zeitmäßig ziemlich verpeilt. Ich wollte dreieinhalb Stunden im Grundlagentempo laufen. Das ist an sich schon ziemlicher Quatsch, wenn ich den Marathon in drei Stunden laufen will. Das habe ich aber erst später, also im Lauf gemerkt.

Nach etwa 100 Minuten entlang der Nidda wollte ich gerade umdrehen, als die Uhr mir meinen zwangigsten Kilometer anschlug. Zwar wollte ich den Rückweg etwas schneller laufen – so habe ich es bei fast allen langen Läufen im August gemacht – aber die Strecke blieb ja die gleiche. So ist dieser lange Lauf, der übrigens noch jeweils knapp 15 Kilometer Radfahrt zur Laufstrecke und zurück nach Hause mit sich brachte, leicht eskaliert. Fast 40 Kilometer in 3:17 – damit sollte ich dann wohl genug Marathontraining innehaben.

Ich bin mir gar nicht sicher, welchen Anflug von geistiger Umnachtung ich neulich hatte. Da hatte ich mir nämlich…

Gepostet von Running Rob am Sonntag, 20. August 2017

Der letzte Test in Mühlheim

Am Sonntag ging es dann für uns im Rahmen des Main-Lauf-Cups zum Mühlheimer Volkslauf. Wir hatten uns entschieden, den Halbmarathon zu laufen. In den üblichen Trainingsplänen stehen am Sonntag vor dem Marathon sowieso immer um die 16-18 Kilometer im Plan – da machen fünf oder drei mehr den Kohl auch nicht mehr fett. Zumal wir im August sowieso deutlich jenseits der 300 Kilometer Laufumfang hatten.

Mein Plan war es, die ersten beiden Drittel, vielleicht sogar bis Kilometer 15 oder 16 in zügigen Dauerlauftempo um die 4:30 km/min zu laufen und dann auf Marathon-Wettkampftempo zu beschleunigen. Das ging gehörig … schief!

Ich bin mir nicht sicher, woran es genau lag – ob ich nun auf dem Höhepunkt meiner Fitness war, das Wetter optimal war oder ich einfach nur übermotiviert an den Start ging. Jedenfalls habe ich bereits auf den ersten Kilometern die 4:30 Grenze unterschritten. Und ich kam davon nicht so richtig weg. Ich versuchte zwar, mich das eine oder andere mal zu bremsen – das hat aber auch nicht so ganz richtig geklappt. Mit rund 4:20 schoss ich die ersten 15 Kilometer dahin. Es fühlte sich einfach so gut und so locker an, dass ich zeitweilig dachte: Die drei Stunden in Münster, das kannst du echt packen!

Ich habe kurz zwischen Kilometer 14 und 15 überlegt, ob ich dann wirklich hinten raus noch schneller laufen will. Immerhin habe ich ja am Sonntag den großen bzw. wichtigen Wettkampf in Münster. Ein wenig wollte ich mich schonen, jedoch lief es so gut, dass ich mich nicht zu sehr zurück halten wollte. Immerhin werde ich nach dem Münster-Marathon erneut etwa 2 Wochen ausfallen, was für mich die Rekorde-Jagd auf der Halbmarathon und 10-km-Strecke für dieses Jahr wohl beendet. Also dachte ich mir: Sch* drauf! Wenn nicht jetzt, wann dann?

Schon wieder Bestzeit

Ich zog an und konnte die letzten 6 Kilometer noch einen 4:00er Schnitt und schneller hinlegen. Wow! Die 1:30 im Halbmarathon sind damit (1:29:01) deutlich gefallen und ich konnte meine Bestzeit vom Hausener Volkslauf vor fünf Wochen noch einmal um fast fünf Minuten verbessern. Plus: Ich habe das positive Gefühl: Wenn ich von Anfang an auf Bestzeit gelaufen wäre, hätte ich sicher noch vier oder fünf Minuten schneller sein können! Das hätte mir dann vielleicht sogar einen dritten Platz in der Alterklassenwertung gebracht – auf den hatte ich nämlich nicht ganz vier Minuten Rückstand.

Und dies war auch der erste Wettkampf, bei dem ich einen so genannten negativen Split hingelegt habe: Die zweite Hälfte bin ich – sage und schreibe – 2:20 Minuten schneller gelaufen, als die erste. Und ja: Es war schon ein ziemlich geiles Gefühl, auf den letzten Kilometern noch so einige Läufer einzusammeln und zu überholen. Läuferinnen indes waren da vorne nicht mehr allzu viele. Einige haben ein wenig ungläubig geschaut, als ich an ihnen vorbei zog. Besonders die jenigen, die mich zuvor im Rennen überholt hatten. Und das ganze gelang mir, ohne komplett die Motorik zu verlieren, wie eine Dampflok zu schnaufen oder Ganzkörpermuskelkater beim Laufen zu bekommen. Sondern einfach … einfach!

Auch bei Kerstin hat das harte Training der letzten Wochen deutlichen Effekt gezeigt. Sie lief fast sechs Minuten schneller, als noch in Hausen und hat damit ebenfalls ihre gerade fünf Wochen alte, persönliche Bestzeit auf der Halbmarathon-Distanz förmlich pulverisiert. Ich glaube, für Kerstin war es ein ganz besonders gewinnbringender Lauf, da viele Trainingsläufe ganz und gar nicht zufriedenstellend liefen.

Neben der neuen Bestzeit auf dem Halbmarathon habe ich im August auch noch ein paar andere Trainingsrekorde geknackt: mit 364 Kilometern in 30 Stunden und 19 Lauf-Einheiten bin ich so viel gelaufen, wie nie zuvor! Das sind noch mal rund 85 Kilometer mehr, als noch im Juli – ich war dafür aber nur drei Stunden länger auf meinen Laufstrecken unterwegs. Im Durchschnitt sind das 11,75 km und knapp 1 Laufstunde pro August-Tag! Na wenn das keine guten Voraussetzungen für meinen Jahres-Haupt-Wettkampf sind…

In Münster geht es um die Wurst

Ich denke, dieser Wettkampf eine Woche vor dem Marathon hat uns beiden noch mal einen ordentlichen Motivationsschub gegeben und uns viel selbst bewusster gemacht. Wir sind deutlich schneller gelaufen, als vor fünf Wochen – und das mit gefühlt weniger Anstrengung. Diese Zeit würde zwar linear gerechnet für unsere Zielvorhaben reichen, aber in einem Marathon bin ich noch nie linear gelaufen, sondern war in der zweiten Hälfte immer langsamer. Für unsere Boston-Qualifikation könnte diese Halbmarathon aber trotzdem gerade so ausreichen. Das lässt uns etwas entspannter auf das kommende Wochenende blicken.

Wenn du meinen 3-Stunden-Marathon-Versuch beim Münster Marathon verfolgen willst, folge mir auf Twitter oder meiner Facebook-Seite. Ich werde meinen Lauf als Live-Track frei geben, so dass du mich auf Schritt und Tritt in Münster verfolgen kannst.

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.