Man lernt ja nie wirklich aus – gerade und besonders als Hobby-Sportler. Es gibt unzählige Dinge, die man falsch machen und viele, die man nicht ganz richtig machen kann. Und von wem kann man am besten lernen, wenn nicht von einem Profi? Bzw. einem ehemaligen Profi. Von einem, der wissen muss, wie es richtig geht.

Als ich vor ein paar Wochen die E-Mail im Postfach hatte, beschloss ich spontant, mich für das Laufseminar anzumelden. Ja, in der Tat lese ich manchmal sogar Werbe-E-Mails! Zumal sie mit dem Frankfurter Laufshop auch noch einen recht vertrauenswürdigen Absender hat. Überhaupt hat der Laufshop für einen Laden ein ziemlich anständiges Rahmenprogramm mit dem Montagslauftreff, der Leistungsdiagnostik und eben diesen Laufseminaren.

  • Wer ist Kurt Stenzel?

    Das Laufseminar wird durchgeführt von Kurt Stenzel. Er ist gebürtiger Frankfurter und war in den 90ern hauptberuflicher Läufer. In dieser Zeit ist er mehrfacher Deutscher Meister geworden. Seine Bestzeit im Halbmarathon ist 1:01 (1988), im Marathon 2:13 (1993) – er war also ziemlich sehr schnell unterwegs. Im Gegensatz zu einigen anderen Referenten im Sportbereich ist er kein Theoretiker, sondern jemand der selbst wirklich, tatsächlich und in echt Leistungssport aktiv betrieben hat. Eben nicht nur hobbymäßig, sondern auch bei richtigen Wettkämpfen wo es um die Wurst geht – z.B. bei der Leichtathletik-WM in Stuttgart 1993. Kurt Stenzel ist also einer, der Laufen kann und von dem man lernen kann und von dem ich lernen will.

Das Seminar

Anfangs hatte ich ein bißchen ein schlechtes Gewissen. Ich meine, ich mache diese Sache mit dem Laufen ja nun schon beinahe 10 Jahre. Und ich hatte mich für das Basis-Seminar angemeldet. Ich fürchtete, dass in seinem Seminar für Fortgeschrittene Wissen vorausgesetzt wird, das mir einfach fehlt. Der Aufhänger Laufstil verbessern, Beschwerden vorbeugen, Trainingseffizienz steigern hatte mich aber für das Anfänger-Seminar überzeugt. Da ich nun seit einer Weile weitestgehend beschwerdefrei bin, kann ich jetzt nämlich die anderen beiden Sachen anpacken. Den Laufstil verbessern und effizienter Trainieren. Da ist mit Sicherheit noch ordentlich Potential.

Ich begab mich also zum Laufshop, war überpünktlich da. Bis ich feststellte, dass ich meine Iso-Matte vergessen habe. Und das, obwohl ich sie mir extra vor die Tür gestellt habe damit ich sie beim Gehen nicht übersehe. Habe ich dann aber doch hinbekommen – also musste ich noch mal flux heim radeln. Am Ende kam ich dann fünf Minuten zu spät, leicht angeschwitzt, gut aufgewärmt aber dafür fünf Minuten zu spät an. Zum Glück war ich nicht der letzte.

Kurt – wir duzten uns alle – stellte sich selbst und sein Programm für den Nachmittag Tag kurz vor. Dann durften wir TeilnehmerInnen kurz etwas zu uns, unserer Lauferfahrung und erzählen, warum wir in dem Seminar waren. Wie gesagt, hatte ich anfangs ein schlechtes Gewissen. Für ein Anfängerseminar habe ich wohl schon ziemlich viel Lauferfahrung, dachte ich. Ich musste aber gar kein so schlechtes Gewissen haben! Andere TeilnehmerInnen liefen schon viel länger als ich. Aber auch andere, die erst vor ein paar Wochen oder Monaten angefangen hatten. Insgesamt also ein sehr breites Leistungsspektrum.

Die Videoanalyse des Laufstils

Direkt nach der Vorstellungsrunde ging es nach draußen. Zum Laufen in den Park. In der Gruppe machten wir uns los und liefen und im Park zwei, drei Runden ein. Danach zeichnete Kurt jeden einzelnen Teilnehmer/in beim Laufen auf. Wir mussten einmal in normalem Tempo vor ihm weg und auf ihn zu laufen – und einmal im zügigen Tempo. Damit er das ganze auch von der Seite filmen konnte, liefen wir die beiden Stile zwei mal.

Nachdem jeder aufgezeichnet war, trabten wir locker zurück in den Laufshop und gingen jeden einzelnen Läufer und Läuferin durch. Wir schauten uns die vier Mitschnitte an und Kurt kommentierte dazu. Er ging bei Fehlern direkt drauf ein, zeigte wo das Problem ist und gab Tipps, wie man es besser machen kann oder sollte. Das war genau das, was ich mir unter dem Laufseminar vorgestellt hatte!

Fehler kann man sich leicht an-, aber nur schwer abgewöhnen

Ja, und auch ich habe mir über die Jahre einen nicht ganz so tollen Laufstil angewöhnt. Ich war an diesem Tag aber auch nicht so gut drauf. Meine Beine waren noch etwas müde vom Lauf am Vortag. Vielleicht bin ich für die Kamera deshalb etwas unrunder als üblich gelaufen.

Die Technik-Fehler meines Laufstils liegen hauptsächlich in der Laufökonomie und ziehen somit meine Effizienz nach unten. Heißt: Mit einer verbesserten Technik könnte ich ohne zusätzliche Anstrengung schneller laufen. Da ich jetzt weiß, worauf ich achten muss und arbeiten kann, werde ich versuchen, das zu verbessern. Jedoch fehlt mir noch eine Idee, wie ich das regelmäßig kontrollieren und überprüfen kann. Wenn ich allein beim Laufen unterwegs bin, gestaltet sich das doch ein wenig schwierig.

Eine neue Bewegung ist mit einem Mal abgucken und 15 bis 20 Mal wiederholen im Groben erlernt. Um bekannte und automatische Bewegungen zu verändern, braucht es jedoch 1.000e Wiederholungen.

Fehler abzustellen oder Verbesserungen im Bewegungsablauf vorzunehmen ist ein langwieriger Prozess. Das dauert viel länger, als sich etwas Neues anzugewöhnen. Kurt meint, um eine Bewegung oder einen ganzen Bewegungsablauf zu verändern, bedarf es tausender (!) Wiederholungen. Deshalb macht er in seinen Trainingsgruppen immer viele verschiedene Übungen und denkt sich neue Übungen aus. So trainier er seine LäuferInnen regelrecht darauf, schnell neue Abläufe zu erlernen und können Änderungen in den bekannten schneller verinnerlichen.

Der Profi läuft nicht nach Puls, sondern nach Gefühl

Nachdem alle TeilnehmerInnen videoanalysiert waren, konnten wir unsere Fragen rund um das Laufen und das Training stellen. Locker und amüsant ließ uns Kurt an seinem Wissen und seiner langjährigen Erfahrung als Läufer und Lauftrainer teilhaben. Am interessantesten dabei fand ich, wie er die drei Grundlagentrainingsbereiche rein nach dem Körpergefühl beschrieb.

Dazu musst du wissen, dass dein Körper im Wesentlichen mit zwei Brennstoffen arbeitet: Kohlenhydraten und Fetten. Aus diesen beiden Nahrungsbestandteilen gewinnt er seine Energie.

Kurt ist ein Verfechter des Laufens nach Gefühl. Er machte dabei auch klar, dass es keinen eigenständigen Fettstoffwechsel- oder Kohlenhydratestoffwechsel-Bereich in diesem Sinne gibt. Beide Verbrennungsarten funktionieren parallel – je nach Belastung ist ihr Anteil jedoch unterschiedlich.

Fettstoffwechsel

Im Fettstoffwechsel-Bereich kauen sie mir ein Ohr ab. Sie erzählen und erzählen und ich komme dabei kaum zu Wort. Sie fühlen sich beim Laufen Pudelwohl und können das stundenlang durchhalten. Oberstes Ziel besonders bei Laufanfängern ist es, in diesem Bereich die 1-Stunden-Marke regelmäßig zu knacken. So können sich ihr Körper, ihre Muskulatur und ihre Gelenke langsam an lang andauernde Belastung gewöhnen.

Beim Fettstoffwechsel bezieht der Körper etwa 70% der benötigten Energie durch die Aufspaltung von Fetten. Den Fettstoffwechsel trainiert man, damit er ausreichend und regelmäßig die benötigten Enzyme zum Aufspalten der Fette produziert.

Für die langen Distanzen ist der Fettstoffwechsel wichtig, denn er setzt spätestens dann ein, wenn alle Kohlenhydrate verbraucht sind. Und je besser er trainiert ist, desto besser kann ein Körper umschalten. Typisches Beispiel für das Umschalten ist der berühmte Hammer-Mann beim Marathon.

Beim Training im Fettstoffwechselbereich kommst du nach Hause und hast danach keinen Hunger. Vielleicht ein wenig Appetit, nach dem Motto Ich könnte jetzt eine Kleinigkeit essen – muss aber nicht. Das Fettstoffwechseltraining macht auch nicht so richtig müde und ist nicht sonderlich erschöpfend. Viele Läufer haben dann das Gefühl, sie hätten gar nichts getan und laufen deshalb ungern in diesem Bereich. Erfahrene Läufer klagen oft So langsam kann ich gar nicht technisch sinnvoll laufen, – aber dann sollen sie nicht laufen. Den Fettstoffwechsel kann man auch gut auf dem Rad trainieren.
 
Lauf-Anfänger überschreiten den Fettstoffwechsel-Bereich oft schon, wenn sie ganz normal laufen. Ich muss sie dann dazu zwingen, eine Stunde zügig zu gehen, um in diesem Bereich zu bleiben. Wenn man im Training einmal diese Grenze überschritten hat und das Kohlehydrate-System in Fahrt kommt, dann ist die ganze Fettstoffwechsel-Trainingseinheit umsonst gewesen.

Übergang zwischen Fett- und Kohlenhydratstoffwechsel

Im so genannten Übergangsbereich ist der Energieanteil aus Kohlenhydrate und Fett bereits etwa gleich verteilt. Vielleicht ist der Kohlenhydrateanteil ein kleines bisschen größer.

Im Übergangsbereich entwickelt sich dann schon ein normales Gespräch. Die Antworten werden kürzer und ich kann auch mal ein oder zwei vollständige Sätze erzählen.

Kohlenhydrate werden aufgespalten zu Zucker, den der Körper viel schneller und effizienter in Energie umwandeln kann. Von ihnen kann der Körper aber nicht viel und nicht wirklich speichern. Im Grunde verwendet der Körper hier hauptsächlich das, was sich im Verdauungssystem oder im Blut befindet. Wenn die Kohlenhydratespeicher leer laufen, dann ist aber aus die Maus.

Kohlenhydratestoffwechsel

Im Kohlenhydratestoffwechsel werden die Antworten der Laufpartner schon deutlich kürzer. Meistens werden sie einsilbig und sind froh, wenn ich nur noch die ganze Zeit erzähle und sie nichts sagen müssen. Sie müssen sich dann schon deutlich mehr konzentrieren, um nicht aus der Puste zu kommen. Für Leute, die gerne ein bisschen #ballern ist dies der Lieblingsbereich. Denn hier können sie, weil sie gut trainiert sind, lange zügig laufen, kommen nach Hause und sind einigermaßen platt. Viele haben auch auf den langen Strecken einen kleinen Snack dabei. Dann müssen sie nicht direkt über den Kühlschrank herfallen, wenn sie nach Hause kommen.

Ich muss sagen – da hat er recht. Ich laufe gerne, aber wohl viel zu oft nahe dieser Grenze. Das würde erklären, warum mir hinten raus immer ein wenig die Leistung fehlt. Da ich mich in Richtung Ultra-Marathon weiter entwickeln möchte, muss ich hier wohl noch so einiges nachholen. Vielleicht wechsle ich dann doch lieber das eine oder andere mal auf das Rad. Dort kann ich vielleicht besser bei einem Puls deutlich unter 150 zu trainieren. Denn so langsam kann ich fast gar nicht laufen. Nach Rodgau werde ich damit anfangen, ganz bestimmt!

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