Na endlich! Es kam der Tag der Tage, dass ich wieder mal einen Punkt auf der Things to do before I die-Liste abhaken konnte. Mit einer doch anders als geplanten Anreise aufgrund einer Aschewolke, zwei Verplanungen am Freitag abend und Samstag, einer ganzen Tasche voll Sportzeug plus Köfferchen mit den normalen Klamotten, ging es Donnerstag nacht mit dem Auto in die Hansestadt.

Schon krass, dass mein Körper sich erst jetzt – eine Woche nach dem Lauf -so langsam erholt. Nicht, dass ich schlimmen Muskelkater oder gar Schmerzen hatte, nein – wofür habe ich sonst bitte knapp 520 Trainingskilometer zurück gelegt? So langsam habe ich wieder einen fast normalen Schlaf-/Wach-Rhytmus. Die ganze vergangene Woche war ich ab neun Uhr abends total müde, länger als 22 Uhr ging’s bei mir nur einmal. Und dann gab ich immer bis kurz vor 7 geschlafen, was gefühlt nie gereicht hat.

Am Sonntag, dem Tag, an dem der Lauf stattfand, klingelte kurz vor fünf Uhr der Wecker. Vor Aufregung war ich in der Nacht schon mal um kurz nach halb vier aufgewacht. Ich hatte geträumt,

ich hätte verschlafen. Mit einem Puls von 185 und einer Überdosis Adrenalin im Blut bin ich hoch geschreckt und war hellwach. Als ich realisierte, dass ich noch exakt im Zeitplan war dachte ich mir „Schöner Mist, jetzt hast du schon mal den ersten Energie-Schub aufgebraucht.“ Nun ja, war ja nicht das erste mal: Beim Darmstadt-Halbmarathon im September habe ich es ja auch geschafft, eine Stunde zu früh aufzustehen, weil ich beim Weckerstellen die Uhr eine Stunde vorgestellt hatte. In beiden Fällen konnte ich doch noch ein bisschen Schlafen – es hat sich jedes Mal voll ausgezahlt bereits am Freitag vor dem Lauf rechtzeitig zu Bett zu gehen und auszuschlafen, weil die Nacht unmittelbar vorher doch immer irgendwie kurz ist.

Obwohl Startschuss erst um neun war, wies der Veranstalter darauf hin, dass man doch um halb neun in seinen Startblock stehen soll und besser bereits ab 7 Uhr auf dem Heiliggeistfeld ist. Traf sich ganz gut, denn so hatte ich genug Zeit, mich umzuziehen, meine Tasche mit den Wechselklamotten abzugeben usw. Da ich um neun schon richtig wach sein wollte und der Kreislauf schon bei mindestens 100% sein sollte, stand ich eben ein paar Stunden vorher auf. So war auch noch genug Zeit für ein vergleichsmäßig reichhaltiges Frühstück.

Da ich echt super zeitig vor Ort war, konnte ich mir noch einmal in Ruhe und ohne Trubel das Läuferdorf und das „Party Village“ anschauen: Wo sind die Duschen, wo krieg ich hinterher was zu essen und zu trinken, wo bekomm ich die Medaille? Das alles konnte ich noch klären, bevor ich meine Trainingshose ausgezogen habe. So musste ich nicht hinterher unter zehntausenden Leuten alles suchen und vollkommen verwirrt durch die Gegend irren.

Erst beim aufwärmen merkte ich langsam, wie voll das eigentlich wird. Bisher hatte ich ja nur relativ kleine Läufe in Darmstadt und in Frankfurt mitgemacht, wo jeweils etwa nur dreieinhalbtausend Läufer dabei waren. Hamburg war hier schon eine gewaltige Nummer größer! Ab acht Uhr strömten dann die Massen hin und her, vom Läuferdorf zum Startbereich – und irgendwie auch zurück. Als ich dann nach einer Viertelstunde nicht mehr so richtig Lust hatte, mich trabend durch die Menschenströme zu bewegen und begab mich in meinen Startbereich.

Da ich ja für solch einen Lauf noch keine Erfahrung hatte, habe ich mich total korrekt mit einer Zielzeit von vier Stunden angemeldet und kam in den Startblock G, etwa in der Mitte des Startbereichs. Dies erwies sich während des Laufs als Fehler, da ich anscheinend der einzige Läufer war, der seine Zielzeit realistisch einschätzen konnte. Ich musste erst gefühlt fünf tausend andere überholen, bis ich in einem homogenen Läuferfeld war. Das war insofern bescheiden, dass es gerade die ersten zehn Kilometer so voll und eng auf der Strecke war, dass ich ständig ausgebremst wurde. Ich kann das ja total leiden, wenn ich von anderen passiv behindert werde. So legte ich die ersten fünf, sechs, vielleicht auch sieben Kilometer mit einer etwa 6:00er bis 6:30er Zeit hin – das war ungefähr ein bis eineinhalb Minuten langsamer, als gewöhnlich! Danach konnte ich aber noch ein bisschen Gas geben und hatte bei Kilometer zehn nur noch 3 Minuten mehr, als ich normalerweise laufe.

Ich hatte mir vorher ausrechnen lassen dass ich für eine Zielzeit von 4 Stunden die ersten 10 Kilometer in 56 Minuten-irgendwas schaffen müsste. Zwar war ich drei Minuten schneller, aber die Zeitberechnung war linear, was totaler Quark ist. Kurz zur Erklärung: die lineare Rechnung geht davon aus, dass ich den ersten Kilometer genau so schnell laufe, wie den letzten und alle anderen zwischendrin. Die halbe Strecke hätte ich also nach zwei Stunden geschafft. Jedoch weiß jeder, der schon mal eine längere Strecke gelaufen ist, dass man am Ende niemals mehr so schnell ist wie am Anfang. Ich wollte also in der ersten Hälfte schon deutlich unterhalb der ausgerechneten Zeit sein. Am Ende war es doch so, dass ich bis zur Halbmarathonmarke (21,1 km) meine gewöhnliche Zeit von etwa einer Stunde fünfzig rum hatte. Zwar bin ich bereits im Training schon mehr als 21 Kilometer gelaufen – aber nicht sehr oft, vielleicht zwei oder drei Mal. Alles, was jetzt kam, war Neuland für mich.

Ich hatte früh angefangen, mich an den Getränke- und Versorgungsständen zu bedienen. Nur die ersten beiden bei Kilometer 5 und Kilometer 7,5 ließ ich aus. Mir war es dort am Stand selbst und auch auf der Strecke viel zu voll. Ich sah das als Chance, all jene Läufer, die bereits jetzt nach Luft japsten wie ein ausgeleierter Blasebalg, hinter mir zu lassen und ein wenig Platz auf der Strecke zu bekommen. Am Ende erwies es sich aber als äußerst klug, keinen der weiteren Versorgungen auszulassen.

Ich hatte mir schon bei den Halbmarathons und Trainingsläufen gedacht, dass die psychische Bremse, die irgendwann einsetzt, letztendlich nur eine Unterversorgung an Zucker und Wasser oder so was ist (Stärke bzw. Kohlenhydrate plus Wasser = Maltose, plus Wasser = Glucose/Fructose, auch genannt Zucker – lernt man in der siebten Klasse in Bio. Also Mund halten, Schlaumeier! ;-). Ich denke, gerade weil ich dann Nach einer Stunde immer alles mitgenommen habe, was die Stände anboten wurde wie Bananen, Kohlenhydrat-Drinks, die total eklig schmeckten, Elektrolytgetränke und natürlich Wasser, ging es mir während des Laufs vom Kopf her ganz gut, so dass ich hier keine erwähnenswerten Probleme hatte. Die „Ich hab so was von keinem Bock mehr, wo ist hier bitte der Ausgang?“-Phase setzte also bei mir nie ein.

Ab dem dreißigsten Kilometer hatte ich etwa konstant eine Viertelstunde Vorsprung zu meiner angestrebten Zielzeit. Ich war kurze Zeit am überlegen, ob ich nicht durchziehe und gleich versuche die 3:45 zu knacken. Dachte mir aber: „Was soll’s? Eigentlich ist doch vollkommen egal, bei welcher Uhr du ankommst.“ Ich habe mich dann dazu entschieden, mir lieber ein wenig mehr Zeit bei der Versorgung zu lassen. So würde es mir einerseits nach dem Lauf vielleicht besser gehen, was es ja auch tut, andererseits habe ich so beim nächsten mal eine gute Voraussetzung, meine eigene Zeit zu schlagen, da ich ja weiß wie viel Luft nach oben noch ist. Außerdem wollte ich mich nicht von meinen kleinen Weh-Wehchen übermannen lassen, die dann schon ab etwa zehn Kilometer vor Schluss einsetzten.

Vielerorts hört man ja oftmals: „Beim ersten Marathon geht man durch die Hölle,“ oder „Das erste Mal tut immer weh,“ oder so etwas in der Richtung. Dazu kann ich nur sagen: absoluter Bullshit! Wenn man sich einigermaßen ordentlich darauf vorbereitet, ist das alles kein Problem. Klar wird der erste Marathon äußerst schmerzhaft werden, wenn man vorher nur einmal die Woche eine Stunde laufen geht. Ich finde aber, wer unter den Voraussetzungen überhaupt so übermutig ist, das mitzumachen hat es aber auch nicht anders verdient.

Von den Teilnehmern her habe ich festgestellt, dass ich schon zum deutlich jüngeren Teil gehöre. Klar waren auch einige dabei, die in meinem Alter oder sogar jünger waren, immerhin habe ich ja nur Platz 465 in meiner Altersklasse was bedeutet, dass da außer mir mindestens 464 junge Männer zwischen 18 und 30 mitgelaufen sein müssen. Wie viele Frauen es waren kann ich nicht sagen, ohne manuell jede einzelne Finisherin zu zählen – aber es gab ein paar. Das Gros der Läufer war zwischen 35 und 45. Was mich nach einigen Tagen Abstand zu der Theorie führte, dass so ein Marathonlauf scheinbar eine populäre Midlife-Crisis-Herausforderung ist, damit die alternden Herrschaften sich noch mal so richtig was beweisen können. Das passt auch zu dem Bild der vollkommenen Selbstüberschätzung und falschen Einstellung mit dem nicht ausreichenden Training. Ist aber wieder nur so eine Theorie von mir.

Kurzum: ich hatte eigentlich keine richtigen Schmerzen. Weder vor dem Lauf, noch währenddessen, noch danach. Zwar hatte ich zwischenzeitlich ein kleines Krampfgefühl auf der Oberschenkelrückseite, meine Verspannung in der Schulter / im Nacken hat sich auch zu Wort gemeldet, mein rechter Fuß hat zwischendurch gekribbelt als wäre er eingeschlafen und ich hatte ein bisschen Muskelkater im Gesäß. Das schlimmste war das Stechen in Höhe des Brustbeins ab etwa vier Kilometer vor Schluss. Nicht, weil es sonderlich weh tat – es war halt wie ein ganz normaler Muskelkater oder –krampf. Brustbein ist halt nur eine blöde Stelle für Schmerzen, da weiß man nie ob jetzt die Brustmuskulatur, das Zwerchfell bzw. die Lunge oder das Herz das Schmerzgefühl verursacht. Aber 20 Minuten vor dem Ende konnte ich nicht einfach auf Verdacht aufhören – dazu bin ich einfach zu viel Amateur. Auch war ab dem Teil der Strecke kaum ein rauskommen mehr möglich. Links und rechts war alles abgesperrt, wegen der Zuschauer und ich hätte eigentlich nur noch da stehen bleiben und auf den Besenwagen warten können. Da der aber mit Zielschluss nach 6:15 einläuft hätte ich noch locker zwei Stunden warten müssen. Dann hätte ich aber auch zu Fuß weiter gehen können um ins Ziel zu kommen. Ich hab mich also durchgebissen und gut war.

Und die Zuschauer waren sowieso toll. Es ist irgendwie unbeschreiblich, wie krass das doch motiviert, wenn einem die Leute am Rand anfeuern. Ich fand es auch total toll, wie die kleinen Kinder immer am Rand standen und sich abklatschen lassen haben – für die ist man in dem Moment so eine Art Held irgendwie, obwohl ich mich selbst nie wirklich so fühlte. Aber vielleicht macht es ja gerade das aus, das ist aber eine Frage für ein anderes Buch.

Ein paar Fotos von mir in Hamburg gibt’s in meinem Flickr-Album.

2 Kommentare

  1. Glückwunsch zu Deinem ersten Marathon. Und dann auch noch mit nem guten Ergebnis! Schön geschrieben! Eine kleine Anmerkung meinerseits: Da Du, wie Du schreibst, in der Vorbereitung nur wenige Läufe über mehr als 20 km absolviert hast, war es vielleicht gar nicht so schlecht, dass Du auf den ersten km „ausgebremst“ wurdest (ich kenne das Problem mit den „Kriechern aus den ersten Startblöcken auch). So konntest Du wahrscheinlich Kräfte sparen. Für gewöhnlich geht man (mit Adrenalin vollgepumpt) zu schnell an (wenn man denn kann), was sich hintenraus mitunter rächt. Falls Du weitere Marathonambitionen hegst, wirst Du sicherlich auch bald feststellen, dass es sinnvoller ist, so zu trainieren und auch zu laufen, dass man die zweite Hälfte schneller läuft, wie den ersten Halben. Macht auch mehr Spaß, ab km 30 die Leute nur noch „einzusammeln“. Hinten ist die Ente fett! ;)

    1. Danke. Ja, ich denk auch dass das gar nicht schlecht war zum Anfang so ausgebremst worden zu sein – wie du schon sagst.
      Ich glaube, das wird im Herbst in Frankfurt nicht anders sein. Ich werde mal versuchen darauf zu trainieren, hinten raus mehr Kraft zu haben. Vielleicht gewöhn ich mir ja echt bald mal endlich das Rauchen ab %)

      Erste Hälfte: 1:50
      Zweite Hälfte: 2:02

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