Eigentlich ist Tagging nicht direkt ein Werkzeug, um Informationen zu verbreiten. Vielmehr ist es eine Aufgabe, Informationsträger wie Bookmarks, Dateien oder Fotos mit Meta-Informationen zu bestücken. Heute hatte ich im Büro wieder eine kleine Unterhaltung mit meiner Kollegin über die Unterschiede zwischen der „1.0-igen“ Ordnerstruktur von Dateien und die „2.0-ige“ Variante, Tags zu verwenden. Ich scheiterte jedoch an der Hürde, den Begriff und den Einsatz von Tags in haptischer Form zu beschreiben. Eben war ich jedoch im Keller, um Wäsche zu waschen…

1. Was sind Tags?

An dieser Frage habe ich lange geknabbert. Am einfachsten kann man Tag mit dem Begriff Schlüsselwort beschreiben. Das ist aber ein nicht wirklich greifbarer Begriff. Beim Wäschewaschen fiel mir in dem Zusammenhang ein sehr schönes Beispiel ein, um den Begriff und seine Verwendungsmöglichkeiten zu erklären. Denn vor dem Waschen muss ich die Wäsche sortieren. Ich haben nun diesen Gegenstand: Wäsche. Wäsche kann in seiner Vielfältigkeit mit Millionen von zusätzlichen Worten beschreibendend kombiniert werden. Dies dient mir dazu, die Wäsche zu sortieren. Je nachdem von wie weit weg ich die betrachte und wie groß oder klein somit die Gesamtheit der einzelnen Wäschestücke ist bzw. sein soll steigt. Deshalb fange ich mal mit den beiden einfachsten Tags an: sauber und schmutzig. Ich kann nun jedem Wäschestück einen dieser beiden Zustände zuordnen. An diesen beiden Zuständen ist besonders großartig: sie schließen sich gegenseitig aus. Das heisst, das jedes Wäschestück nur eines dieser beider Tags bekommen kann. Ich könnte natürlich auch noch ein drittes hinzufügen, was zur Beschreibung dieses Zustanden dienen kann: weiss nicht genau. Damit habe ich dann ein drittes Tag, das sich aber immer noch nicht mit den anderen beiden überschneidet, die Wäsche kann nur eines von beiden sein. Beim Wäsche sortieren reicht aber die Unterscheidung nach sauber, schmutzig oder weiss-nicht-genau meist nicht aus.

2. Verwenden mehrerer Tags: Clustering von Gegenständen

Die schmutzige Wäsche sollte, bevor sie den Weg in die Maschine nimmt, vorher noch nach Farben unterschieden werden. Denn: Eine rote Socke in einer Menge von weißer Wäsche sorgt meistens für … ein amüsantes Ergebnis :-) Es ist also notwending, die Wäsche nach Farben zu sortieren. Das ist mir persönlich aber zu komplex, denn nach jeder einzelnen Farbe zu unterscheiden ist eigentlich gar nicht notwendig. Deshalb unterscheide ich meine Wäsche nach weißhell-buntdunkel-bunt und schwarz. Auch hier schließen sich die einzelnen Tags gegenseitig aus. Neben der Farbe unterscheide ich meine Wäsche auch noch nach: Temperatur, Trockner und Bügeln. Dies sind alles sich gegenseitig ausschliessende Tags. In einer Matrix dargestellt, sieht das dann so aus:

Matrix: Wäsche

Die Wäsche wird mit Sicherheit aus eine der vier Tag-Kategorien einen Tag tragen. Ich vernachlässige einfach mal zu erwähnen, dass ich zum Wäschewaschen nur in sehr sehr seltenen Fällen die saubere mit einbeziehe. Die Entfernung aller Stücke mit diesem Tag aus meiner Wäsche nehme ich ja schon im Vorfeld vor: in dem ich nur jene betrachte, die im Wäschekorb verstaut sind, oder irgendwo in der Wohnung rumliegen. Die Wäsche sauber liegt ja nämlich schon im Schrank ;-) Rein mathematisch betrachtet – unter der Annahme, dass schmutzig- und weiss-nicht-Wäsche mit identischer Priorität zum Waschen kommen – würde ich letztendlich 48 (!) kleine Wäschehaufen machen. Ich kann also allein durch die 12 Tags in 4 Kategorien 48 mögliche, (fast) eindeutige Unterscheidungen vornehmen. Durch Tagging wird also in einer Menge von Gegenständen (Informationsträger) Komplexität verringert. Aber das ist noch gar nicht das beste daran.

Update:
Ich habe gestern vergessen zu erwähnen, dass es völlig egal ist, in welcher Reihenfolge ich die Tags anbringe. Ob ich zuerst festlege, dass ich das Wäschestück bügeln muss, oder bei welcher Temepratur es gewaschen wird, ist irrelevant. Wenn ich am Computer danach suche, kann ich die Tags in beliebiger Folge angeben – er findet’s trotzdem! Ausserdem ist natürlich völlig klar, dass ich keine 48 Wäschehaufen bilde, um Wäsche zu waschen. Denn das Trocknen und das Bügeln sind ja davon unabhängige Vorgänge. Insgesamt kann ich vom Prozess „Wäsche waschen“ die Vorgänge sortieren, waschen, trocknen, bügeln voneinander trennen und parallel oder seriell laufen lassen. Das schöne an Tags allgemein wird aber schon an diesem kleinen Beispiel deutlich: Sie sind unendlich skalierbar. Das bedeutet, würde ich mit meiner 5-köpfigen Familie vom Urlaub an der Ostseeküste zurück kehren und hätte gefühlte 2.000 Wäschestücke, dann kann es durchaus Sinn machen, die Wäsche dannach zu sortieren. So könnte ich den Einsatz/die Kapazitäten der Maschinen (resp. Produktionsfaktoren) Trockner und Bügeleisen geschickter planen und somit meine Wäsche effizienter fertig stellen. Betriebe ich sogar eine Wäscherei, wäre ein wohlüberlegtes Tagging der Wäsche unabdingbar – jedoch würde ich hier sicherlich ein paar hundert Tags mehr benutzen ;-)

3. Ergänzung fehlender Informationen – die Masse macht’s

Was ist nun, wenn ich bei einem Wäschestück gar nicht weiß, ob es gebügelt werden muss, oder in den Trockner darf? Hier kommt – an dem Beispiel der Wäschesortierung – die versteckte Macht der Tags ans Licht: Ähnlichkeiten. Selbst wenn ich in der Kategorie Farbe die gleiche Anzahl Stücke zu jedem Tag habe, wird sich schnell abzeichnen, dass je weiter ich die Stücke nach bestimmten Tags einschränke, einige Kombinationen sehr viel häufiger auftreten, als andere. Je mehr Stücke ich ursprünglich zur Grundgesamtheit hinzufüge, desto höher steigt die Wahrscheinlichkeit einen fehlenden korrekten Tag zuzuordnen. Wenn ich feststelle, dass weiße 60°-Wäsche in 99 von 100 Fällen in den Trockner darf und in 0 von 100 Fällen gebügelt werden muss. Habe ich nun ein Stück weißer 60°-Wäsche, bei dem ich mir nicht sicher über das Trocknen und Bügeln bin, kann ich einfach aufgrund der durch die anderen Stücke vorhandenen Informationen eine sehr wahrscheinlich korrekte Annahme darüber treffen.

Update 2:
Das Beste ist, die Wäsche wird schon von Hause aus mit Tags ausgeliefert: Share photos on twitter with Twitpic

4. Suchen mit Tags

Das ganze Spiel kann man auch super rückwärts spielen: im Grunde genommen ist die Suche nach einem bestimmten Gegenstand (Träger von Meta-Informationen bzw. Tags) nichts anderes als das Auffüllen fehlender Tags. Angenommen ich weiß über ein Stück Wäsche, dass es bei 60° gewaschen und gebügelt werden muss. Aber leider weiß ich nicht mehr so genau, ob es in den Trockner darf und welche Farbabstufung es hatte. Durch die Aussortierung aller anderen Tags, in dem ich also 40 von den 48 Wäschehaufen erst gar nicht betrachte, gibt es nur noch 8, in denen mein Wäschestück sich befinden kann. Somit habe ich schon mal mehr als 80% der Wäsche, die ich nicht suche, ausgeschlossen. Und wenn es hier nicht ist, dann ist es sauber im Wäscheschrank! Tabelle: Tag-Suche

5. Social Tagging

Social Tagging bedeutet, dass das Taggen von einer (öffentlichen) Gruppe von Leuten vorgenommen werden kann. Dies ist sehr häufig bei Social-Media-Netzwerken der Fall, die sich um User-Generated-Content drehen. Getaggt wird z.b. bei YouTube, del.icio.us, flickr, Blogs, usw. Bei diesen Netzwerken kann ich normalerweise nicht nur meinen selbst eingestellten Content, sondern auch den der anderen mit Tags versehen. Für die Tags als solche spielt jedoch die Unterschiedlichkeit der Menschen und der Sprache eine Rolle. So ist für das verwendete Vokabular zum einen sicher die Bildung ein wesentlicher Faktor, aber auch der Interessenhintergrund, warum ich diesen Informationsträger betrachte spielt einen nicht unwesentliche Rolle. So kann ein Tourist ein Bild mit dem Wort „Hund“ taggen, ein Hundezüchter nimmt aber z.B. „Rauhaardackel“, ein Veterinär mag hierfür sogar die lateinische Bezeichnung taggen. Letztendlich sorgt es aber dafür, dass Gleichgesinnte eben jene Inhalte mit ihrem eigenen Vokabular leichter in der Masse der flickr-Fotos finden können. Eine große Gruppe von Betrachtern kann ziemlich schnell viele Gegenstände „abarbeiten“, wenn es darum geht, sie zu taggen. Denn das Beste am Taggen ist: es ist total einfach – und jeder kann die Tags vergeben, wie er will und wie er es braucht.

6. Social Tagging im Enterprise 2.0

Social Tagging in einer Organisation anzuwenden wird sich im Wesentlichen auf Dokumente und Dateien und vielleicht noch bei der Anwendung von Social Bookmarking beschränken. Bei der Vergabe von Tags Einschränkungen und detaillierte Richtlinien aufzustellen, erscheint mir widersinnig. Es geht ja beim Taggen von Dokumenten darum, dass viele Leute aus der schier unendlichen Menge an Daten so schnell und so treffsicher wie möglich die gesuchten – meist Dokumente – wieder finden. Jeder Mensch entwickelt eine fast individuelle Semantik im Laufe seines Lebens, wenn man diese bis ins letzte Detail nachverfolgt. Hier von vornherein konkrete Vorgaben zu machen ist gleichbedeutend damit, eben jene individuellen logischen Verknüpfungen von Begriffen einzuschränken und ggf. sogar völlig zu verbieten. Denn wenn ich mich erst in ein vorgegebenes Denk-Muster einarbeiten muss, ist dies mit erheblichem Aufwand verbunden. Der Sinn von Tags ist es ja, Informationen einfach, schnell und intuitiv – also genau so, wie ich es suche – wieder zu finden. Ausserdem nehmen zu starke Einschränkungen die Motivation, diese Aufgabe durchzuführen. Wenn ich die Dokumente nicht so taggen kann, wie ich sie wieder finde, macht es für mich gar keinen Sinn, es überhaupt zu tun. Und es wird vorkommen, dass Dokumente mehr Tags als Inhalt haben. Bei meinen E-Mails z.B.: je wichtiger die Mail ist, desto mehr Tags hat sie – unabhängig davon, ob da nun ein Dreizeiler oder fünf Seiten Text drin sind. Denn alle Informationen die mir die E-Mail an sich nicht gibt, sondern die sich nur aus dem Kontext der vorangegangen Korrespondenz ergibt – ergänze ich mit Tags. Natürlich lösche ich die restlichen E-Mails, sofern ich sie dann nicht mehr brauche. Wichtige, übergeorndete Dinge sollten jedoch geklärt werden. Beispielweise kann man festlegen, Tags nur in deutscher Sprache zu vergeben, Substantive immer als Einzahl zu verwenden, oder Dateien nicht mit Dokument-Typen (Word-Dokument, Excel-Dokument, PDF) taggen. Was unbedingt vorher festgelegt werden sollte: Wo die Tags anzubringen sind. Die Tags können (dank moderner Suchtechnologie) z.B. im Dokument selbst oder im Dateinamen angebracht werden. Morderne Programme bieten sogar an, ihre Dokumente mit einem Satz von speziellen Meta-Daten anzulegen. Diese werden im Dokument gespeichert und im einen eigenen Dialog-Feld eingetragen bzw. abgefragt: Datei: Eigenschaften Dokument: Eigenschaften

7. Was (Social) Tagging nicht kann

Es wird schwierig, körperliche Dokumente sinnvoll zu taggen. Es wird umso schwieriger, je größer die Gruppe von Menschen ist, die die Tags vergibt und auf die Dokumente zugreift. Nicht alle Tags werden immer so schön ausschließbar sein, wie es mein Wäsche-Beispiel zeigt. Ausserdem gibt es in einem einzelnen Büro wohl kaum genug Schubladen, um alle Dokumente in Tag-Ketten anzuordnen – zumal auch ziemlich schnell die Frage auftauchen wird: „Muss das wirklich sein, dass ich in einer Schublade nur 2 Dokumente liegen habe?“ Ein kleines Beispiel, wie das aber trotzdem bei einer überschaubaren Menge Tags und einem einzigen Dokument aussehen kann, hier:

Tagging 1.1
Zur Erklärung:
rot = Anspruchsgrundlagen
gelb = HGB-relevant
grün = Definitionen

Und das stelle ich mir jetzt bei unserem Rechnungseingangsordner vor … B-)

2 Kommentare

  1. Genial. Sehr guter Artikel.

    Die Frage ist wann kann Windows ordentlich mit Tags umgehen. Ich hätte gerne alle Dokumente auf meinem Rechner in einem Ordner und finde was ich suche einfach über eine gute Suchfunktion. Geht leider nicht/noch nicht!? In Windows?

    Google Docs hat das mit „Labeln“ recht gut gelöst. Habe alle meine Dokumente Google anvertrauen … ich weiß nicht so recht …..

    Fry

    1. Merci :-)
      Vista hat eine integrierte Indexsuche. Das Suchfeld ist direkt im Startmenü (nicht in der klassischen Ansicht).
      Man kann dort auch manuell Ordner hinzufügen – Eigene Dateien, Musik usw.
      Denke in Win7 gibts das auch. Für XP empfehle ich Google Desktop Search.
      Dokumente taggen geht unter Vista bei Bildern und allen Office-Dokumenten. Die Win-Suche durchsucht diese auch.
      Viele Grüße,
      rob

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