Gestern in aller Herrgottsfrühe (so gegen kurz nach 5) stolperte ich in meiner Timeline über Mario @sixtus‚ Hinweis auf „Filesharing, Flattr und Bezahlschranken: Die Auflösung historischer Unfälle“. Bei allem, was ich so tagtäglich in diesem Internet-Dingens lese muss ich sagen: kaum einen Blog-Beitrag fand ich bisher so sehr anregend, wie diesen. Vielleicht lag es aber auch an der Uhrzeit.
Für Geschäftsmodelle im Netz muss man sich lösen von Wertvorstellungen und Vorgehensweisen, die aus der analogen Welt stammen und ebenso vieles, was man als gegeben annimmt, gründlich hinterfragen. Die Verschiebung der Wertschöpfung löst durch ihre neue Flüssigkeit zwischen den Wertschöpfungsebenen historische Unfälle auf. Was vorher untrennbar verbunden war, wird in seine natürlichen Bestandteile aufgedröselt.
Das eigene Geschäftsmodell auf einen historischen Unfall aufzubauen, obwohl dieser obsolet wurde, ist keine gute Entscheidung. Natürliches menschliches Verhalten, das durch die Veränderungen möglich wurde, wird sich nicht einfach wieder abstellen lassen. Wozu auch?
via neunetz.com
Ein durchaus interessanter Beitrag (bis zum Ende lesen)! Die Begründung, warum den Medien insgesamt (sowohl Film-, Musik- als auch Verlagsindustrie) das Geschäftsmodell wegbricht ist gleichermaßen banal wie genial: Güterknappheit. Volkswirtschaftslehre I, erste Vorlesung. Die „Güterknappheit“ in diesem Sinne existiert nicht – zumindest im Bereich der Medien – mehr, eben weil die Digitalisierung es simpel und kostengünstig macht, Inhalte zu vervielfältigen. Durch die Ausweitung des Internets kommt hinzu, dass die Verbreitung ebenso kaum noch Kosten verursacht.
Das Geschäftsmodell der Medien
Es basierte die letzten 3.000 Jahre darauf, dass für die hohen Kosten der Herstellung und der Verbreitung ein Medienproduzent in Vorleistung trat und sich diesen Vorschuß über den Verkauf wieder zurück holte – mit einem Bonus oben drauf. Das Herstellen von Medien war ein enorm aufwändiges und kostenintensives Unterfangen, sowohl in der Hinsicht der Erstellung der Inhalte (in Sachen geistiges Eigentum), aber ganz besonders bei der Erstellung der Informationsträger (Bücher, Zeitungen, Schallplatten, etc.). Zumindest haben es die Medienunternehmer erfolgreich geschafft, den Schöpfenden immer gerade ausreichend Geld für ihre Arbeit zu zahlen – und da ihnen bereits seit der Entwicklung hin zu Massenmedien die Kosten förmlich explodierten, sind sie auch immer bestrebt am Punkt der Schöpfung noch mehr zu sparen.
Nun fallen aber dank der steigenden Popularität des Internets als Konsummedium der Wahl die Kosten für die Herstellung von Informationsträgern und für die Verbreitung nahezu weg. Das schlimme für die Verleger hierbei ist: dieser Fakt ist so transparent, dass er mittlerweile bei fast jedem Konsumenten angekommen ist. Es ist also nicht nur so, dass jeder davon weiß – sondern auch jeder weiß, dass es jeder weiß, dass es jeder weiß um auch einmal Clay Shirky zitiert zu haben. :-)
Die Bereitschaft, für die Erstellung und Verbreitung von Informationsträgern zu zahlen sinkt dadurch – bewusst, oder unbewusst. Hinzu kommt, dass der „Wert“ des nun eben nicht mehr knappen Gutes Information (wobei ich hier auch Musik oder Belletristik einsortieren möchte) durch die allgemeine und jederzeitige Verfügbarkeit gen null tendiert. Die verlegerische „Vorleistung“ einzufordern ist zwar an sich berechtigt, ihr fehlt aber die Berechtigung. Der im Beitrag genannte Ansatz, nach dem Konsum dafür zu bezahlen, statt davor, ist durchaus logisch. Es ist wie in einem Restaurant: hier zahlt man ja i.d.R. auch nach dem Essen, statt davor.
Kurz gefasst
Die Medienindustrie wandelt sich rasant von einem technisch-industriellen Fertigungsprozess (Erstellung der Inhalte, Produktion der Informationsträger, Verbreitung die Medien) in einen Dienstleistungszweig: Handel mit Informationen.
Die Zunft der Medienunternehmer hat nun die schiere Angst, dass sich seine Konsumenten als äusserst zahlungsunfreudig erweisen würde. Vielleicht, weil di Kunden merken, was für einen Schund ihnen da teilweise angeboten wird? Die Medienunternehmen haben auch Angst davor (und das wird mit Sicherheit passieren), dass die Erlöse aus dem bisherigen Gechäftsmodell durch ein neues nicht annähernd kompensiert werden. Weil die Preise vollkommen überzogen sind – und zwar sowohl im Vertrieb, als auch im Werbeverkauf.
Gerade Verleger haben in den letzten etwa einhundert Jahren entdeckt, dass sie die Verbreitung ihres Informationsträgers ja auch mit Werbung finanzieren können – TV, Kino, Radio haben dies später übernommen. Dieses zusätzliche Erlösmodell haben sie bis heute nahezu perfektioniert. Wäre man dreist könnte man unterstellen, dass Zeitungs- und Zeitschriftenverleger einfach den Hals nicht voll gekriegt haben und deshalb neben den Vertriebserlösen eine zusätzliche Erlösquelle künstlich konstruiert haben. Vielleicht sind aber auch die werbungtreibenden Unternehmen auf die Medien zugekommen?
Ich kann mir vorstellen, dass die Produktions- und Vertriebskosten durch die Industrialisierung enorm gesunken sind. Dies wurde irgendwann den Konsumenten bewusst – und schon war die Bereitschaft, die Copy-Preise zu zahlen dahin. Immerhin muss man bedenken: Zeitungen waren früher mehr ein Luxusgut. Und wer kennt sie nicht, die „historischen“ Fotos, wo Menschentrauben vor dem TV-Geschäft stehen und gemeinsam in die Röhre schauen (Rudelgucken 1.0), weil sie sich selbst keinen eigenen Fernseher leisten konnten.
Die Anzeigenkunden jedoch wollen mit einer Schaltung eine möglichst große und genaue Verbreitung erreichen. Nun, man muss kein Hellseher sein um zu wissen, dass die Branche der Printmedien rückläufig ist, dass Online-Anzeigen aufgrund der Überfüllung des Netzes eigentlich keinen Wert haben. Zumindest die Verlage schrauben trotzdem kontinuierlich die Anzeigenpreise hoch. Abgesehen davon, dass ich überzeugt bin dass Print eben nicht wirkt. Zumindest nicht in dem Ausmaß, wie in manchen Elfenbeintürmen auf die Steintafel eingeritzt ist.
Und nun?
Jetzt, da die Verleger – zu spät – erkannt haben, wie die Situation ist, erschaffen sie sich ein neues, künstliches Erlösmodell. Und mit diesem heucheln sie vor, sie würden dem geistigen Eigentum, der eigentlichen Schöpfung, der Basis, warum sie überhaupt existieren können, mehr Bedeutung zugestehen. Sie befreien ihre eigenen Bergbausklaven . wie generös! Sie nennen es „Leistungsschutzrecht„. Im Grunde offenbaren sie aber damit nur eines: Sie haben erkannt, dass die Medienmarkt nur der Handel mit Informationen ist – und das dieser Geschäftszweig vollkommen übersättigt ist.
Ich persönlich wage aber zu bezweifeln, dass von eienr solchen Abgabe – sollte sie denn kommen – auch tatsächlich ein angemessener Anteil bei den Schöpfern ankommt. Dann nutze ich doch lieber den Flattr- oder Paypal-Button und zahle direkt an den jeweiligen Schöpfer. Denn er brauche keine Medienmogule im Rücken, die Zeiten sind vorbei.
Massenmedienhersteller (denn nichts anders sind sie) werden sicher noch eine Weile überleben. Jedoch werden sich die Märkte aber zunehmend konzentrieren. Ich schätze, dass sich in nicht allzu ferner Zeit die Medienbranche – wie alle Industriezweige, auf fünf bis zehn große, weltweit agierende Konzerne beschränken wird. Sei es nun Universal Music oder Time Warner, Rupert Murdoch oder die BBC. Langsam sollte es ja allen gedämmert haben: Der Kampf ums Überleben hat begonnen!